Turmkapelle der St. Martini Kirche/ Jugendkirche in Mühlhausen
Restaurierung der mittelalterlichen Wandmalerei
Auftraggeber: Evangelisches Kirchspiel Mühlhausen
Bearbeitungszeitraum: 2012 bis 2017
Im Zuge des Umbaus der Martinikirche in eine Jugendkirche in 2012 wurde das Augenmerk auch auf die Kapelle gerichtet, die bis dahin ein unbeachtetes Dasein fristetete und lediglich als Abstellraum diente. Bereits 1914 gab es einen Aufruf des damaligen Stadtarchivar Wintruff etwas für die Malereien der Kapelle zu unternehmen. Erst nach ca. 100 Jahre wurde die Kapelle aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt, so dass seit 2013 zahlreiche Maßnahmen zur Sicherung der Putze und Malereien ergriffen werden konnten.
Durch engagierte Denkmalpfleger des Landes und der Stadt, den Gemeindemitgliedern und dem Rotarierclub in Mühlhausen wurde die Restaurierung der Kapelle durch bereitgestellte finanzielle Mittel ermöglicht. Die Malereien geben Zeugnis einer lebendigen mittelalterlichen Geschichte der Stadt Mühlhausen und zeigen wichtige geistige Themen der Zeit im 14.Jahrhundert.
Entstehungszeit
Die Entstehung der Kapelle kann auf das Jahr 1364 datiert werden. Die Martinikirche selbst ist älteren Ursprungs. Die bis dahin chorlose kleine Saalkirche wurde nach der Übernahme durch den Deutschen Orden 1364 durch einen Choranbau und die Errichtung des Turmes mit Kapelle erweitert. Der Fachwerkaufsatz des Turmes wurde 1735 errichtet.
Die Stadt erlebte im 13. und 14. Jh. einen wirtschaftlichen Aufschwung, da sie seit 1251 freie Reichsstadt war und dem Deutschen Orden nahezu alle Kirchen der Stadt zugesprochen wurden. Der Bedarf nach Andachtskapellen zu dieser Zeit war groß. So wurde der Turm mit der Kapelle errichtet und vollständig bemalt. Fast zeitgleich entstanden mehrere weitere Kirchen in der Stadt so zum Beispiel die Georgikirche mit einer ursprünglich ebenfalls nur von außen begehbaren Turmkapelle.
Ab dem 15. Jh. endete die Blütezeit der Stadt. Die Bevölkerung wurde durch 2 Pestwellen stark dezimiert und dadurch wirtschaftlich stark geschwächt. Nach der Reformation, die sich 1557 endgültig in Mühlhausen durchsetzte, dem bald darauf folgenden 30jährigen Krieg und Stadtbränden verlor die Kapelle allmählig an Bedeutung und wurde spätestens seit dem Errichten des neuen Glockenturmes um 1735 nicht mehr genutzt. Der Raum diente seitdem zur Betätigung der Glocken und als Lagerraum.
Beschreibung der Malerei
Alle Wände der Kapelle waren vollständig überputzt und bemalt. Die Malereien zeigen im Gewölbe Szenen aus dem Leben Jesus. Auf den Wänden sind verschiedene Szenen aus dem Leben des Namensgebers der Kirche, dem Heiligen Martin dargestellt. Die Malereien werden von rankenartigem Blattwerk umrahmt. Es sind zwei übereinander liegende Fassungen sichtbar. Dabei wird deutlich, dass die Themen der einzelnen Bilder beibehalten wurden jedoch die Figuren in der Ausführung variieren. Die erste Fassung wurde vollständig übermalt. Auf der Westwand und der Westkappe ist nur die zweite Fassung erhalten. (Martin auf Pferd)
Die unterschiedlichen Fassungen lassen sich durch typische Farbgebung relativ gut voneinander unterscheiden.Während Grün und Lila eindeutig der 2. Fassung angehören, lassen sich ein grüner Ocker und ein brauner Ocker der ersten Fassung zuordnen. Die roten und gelben Ockertöne beider Fassungen sind hingegen sehr ähnlich, so dass hier die Fassungszuordnung nur durch genaue Betrachtung möglich ist.
Durch Versinterung und starke Verschmutzung war die Malerei kaum noch erkennbar. Durch Umwandlung der Putze und Reinigung konnten die Malereien wieder sichtbar gemacht werden. Nachdem die Fehlstellen mit Sumpfkalkputz geschlossen waren konnte eine Retusche mit natürlichen harzhaltigen Farben und Kalkfarben erfolgen.
Auf der Gewölbekappe der Ostwand sind zwei Fassungen erkennbar. Es handelt sich um die Darstellung des byzantinischen Kaisers Herakleios. Er galt im Mittelalter als legendärer erster Kreuzfahrer. Er herrschte in der Zeit von 610 bis 640 und führte Krieg gegen die Perser. Er eroberte die Kreuzreliquie zurück, die zuvor von den Persern aus Jerusalem gestohlen wurden war und brachte sie nach Jerusalem zurück. Auf dem Stadttor von Jerusalem steht ein Engel. Davor trägt ein bärtiger Mann (Herakleios) ein Kreuz. Zu seinen Füßen sind die Reste einer Krone erkennbar. Links neben dem Mann sind weitere Figuren erkennbar.
Zum besseren Verständnis der zwei unterschiedlichen Farbfassungen wurden Kartierungen zum Malschichtbestand für alle Wände angefertigt. (Siehe unten).
Gewölbe S, Herakleios mit Kreuzreliquie |
Gesamtansicht NO |
Gesamtansicht SW |
Westwand Martin, Vorzustand |
Westwand Martin, nach der Restaurierung |
Westwand Kartierung Malschichtbestand |